Man konnte wohl rechtens von einem Derby sprechen, als die deutsche U21 Nationalmannschaft, am finalen Tag der Weltmeisterschaft in Limerick, im letzten Platzierungsspiel auf den altbekannten Gegner aus Tschechien traf. Für viele der jungen Spieler stellte das tschechische Lacrosse Programm den ersten Zugang zu internationalem Lacrosse dar. Ob beim Scheider Cup in Frankfurt, an der ISB in Belgien, bei der Junior Euro Box Challenge in Malešice, überall trifft man in Europa auf Spieler aus dem Nachbarland. Und unzählige Male war Tschechien der Gegner, den es im Endspiel zu bezwingen galt, teils erfolgreich, teils erfolglos.
Spieler, Trainer und Staff waren sich der Bedeutung dieses letzten Spieles wohl bewusst. Im Team herrschte eine Motivation neuer Klasse. Voller Fokus auf den Erzrivalen, ein letztes Aufbäumen und ein Ende der Reihe an derben Niederlagen. Auch die mitgereisten Fans spürten, dieses Spiel sollte ein anderes sein. Die Stimmung am Feld drei, einer Wiese, fernab vom Championship Field, mit zertretenem Crease und aufgewühlten FaceOff Ex, war angespannt und nervenaufreibend.
Spannender kann ein Lacrosse-Spiel wohl kaum verlaufen. Von Anfang an rissen sich die beiden Teams die Führung gegenseitig aus der Hand. Mit einem Stand von 3:2 ging die U21 in die erste Quarterpause. Knapp lag Deutschland zurück und kämpfte über weitere 45 Minuten ununterbrochen dafür, über die Tschechen die Oberhand zu gewinnen. 2:2, 2:2 und 3:4 waren die Resultate dreier, knapp umkämpfter Viertel. 10:10 lautete der Spielstand nach den regulären 60 Minuten. Das Sudden Victory erzwang schließlich das tragische Ende dieses letzten Spiels und verlangte den Fans nervlich noch einmal einiges ab. Possession für Tschechien – Finish – Safe – langer Ground Ball Fight und schließlich Tschechien mit dem erfolgreichen Torabschluss.
Und so endete die lange Reise der U21 Nationalmannschaft mit einer der knappsten Niederlagen, die dieses Team je verdauen musste. Just nach Abpfiff setzte leichter irischer Regen ein, die Stimmung war zurecht bedrückt nach diesem gescheiterten letzten Ziel, dem knapp verpassten 11. Platz.
Doch das anfängliche Gefühl der Niedergeschlagenheit sollte schnell weichen, denn blickt man zurück auf die lange und holprige Reise der U21, so erkennt man, dass jeder Spieler und jedes Staff-Mitglied zweifelsohne stolz sein kann auf die langen drei Jahre der Vorbereitung und die finale Turnierteilnahme.
Bereits 2019, kurz nach der EM-Teilnahme, versammelte sich die deutsche Lacrosse-Jugend in Düsseldorf, um sich den Coaches beim ersten Auswahlcamp zu präsentieren. U19 Weltmeisterschaft war damals noch das große Ziel und stand mit der Terminierung auf den Sommer 2020 bereits unmittelbar vor der Haustür. Wie alles, musste auch diese Urform des Turniers nicht nur einmal, sondern 2021 noch ein zweites Mal verschoben werden. Für die Spieler bedeutete diese Ausnahmesituation ein dauerhaftes Bangen darüber, ob das Event überhaupt noch stattfinden sollte, eine erschwerte Trainingssituation und vor allem ein ewiges Warten. Umso dankbarer zeigte sich das Team, dass alle Spieler, Coaches, das Management und der Physio dieses Debakel so lange über sich ergehen haben lassen, denn aus den drei Jahren Vorbereitung gingen nicht nur wunderbar gereifte Einzelspieler, sondern ein enges, vertrautes Team hervor, das sich einer Weltmeisterschaft würdig erwies.
Den Spielern bot sich in Irland die seltene Chance internationales Lacrosse zu probieren. Nicht nur bei den Top-Spielen der USA, Kanadas oder der Haudenosaunee vom Seitenrand, sondern im eigenen Poolplay und der Platzierungsphase traf die U21 auf starke, physische Gegner, teils besetzt mit NCAA Spielern, die man sonst in Deutschland nur über ESPN sehen kann. Irland, Puerto Rico und vor allem Jamaika, dem Deutschland einen knappen 7:6 Sieg abverlangen konnte, hießen einige der starken Gegner.
Mit Sicherheit soll diese Erfahrung den Grundstein für eine hochmotivierte, talentierte Lacrosse-Generation legen, die bereits jetzt eindeutige Ambitionen in den verschiedenen Nationalmannschaften der Herrenformate und bei der Deutschen Meisterschaft zum Ausdruck bringt.
Off-Field sind unzählige neue Freundschaften entstanden. Jeder der 23 Spieler wird wohl zustimmen, dass das Team für sie, gleich einer Familie, mit das prägendste war, was sich ihnen im Lacrosse über die letzten Jahre bot. Verregnete Trainingslager in Hamburg, lange Anreisen durch die gesamte Bundesrepublik, Schneeinferno zu Weihnachten in Marburg und triste, coronabedingte Online-Sessions haben zusammengeschweißt.
Mit Sicherheit wird die Erinnerung an diese Weltmeisterschaft für die Spieler und alle mitgereisten Fans von besonderem Wert sein – Immer frechere Frisuren neuer Eskalationsstufen, emotionale Pre-Game-Speeches der Captains und Trainer, das alltägliche „Fuck-Up“-Limerick als Strafe für besonders blödsinnige Einfälle und das unglaubliche Niveau an Lacrosse, wie zuletzt im Endspiel hautnah erlebt -und vielleicht werden selbst die frühmorgendlichen Ausroll-Sessions, das fade Frühstück im „Pavillion“, die fiesen Behandlungen beim Physio Bauer und die gedrillten Fitnesseinlagen während der Trainingscamps irgendwann einmal nostalgisch verklärt und ein bisschen vermisst. Besonderer Dank gilt allen Unterstützern, den Spendern beim Crowdfunding, den Eichen, den städtischen Lacrosse Vereinen, bei denen Trainingslager abgehalten wurden, den Eltern und Verwandten der Spieler, allen mitgereisten Fans und allen Supportern, die die Streams geschaut haben und den jungen Spielern in den Heimatvereinen ordentlich den Rücken gestärkt haben. Besonderer Dank gilt dem gesamtem Staff, Pete DeSantis, Max Bieber, Marek Beck, Lenny Nöring, Daniel und Lena Bauer, der Media Crew rund um Gina Herrmann und nicht zuletzt Jakob Albrecht, der gemeinsam mit Marek Beck mit dieser Weltmeisterschaft seine Arbeit im U21 Programm beendet.
Fotos: Luca Field
Posted by DLAXN, written by Len Oswald