Am vergangenen Samstag wurde beim SC 1880 in Frankfurt Geschichte geschrieben: als erstes deutsches Team testeten die Lacrosse Damen und zahlreiche Juniorinnen vom SC Frankfurt die olympischen Regeln, welche dem International Olympic Committee vorgeschlagen worden waren. Lacrosse war seit 1908 nicht mehr bei den olympischen Spielen vertreten. Dies soll sich nun ändern: Das Ziel ist es, Lacrosse bei den World Games 2021 in Alabama, USA wieder als Disziplin vertreten zu sehen und somit den Weg zur olympischen Disziplin zu ebnen.
DLAXN war für euch natürlich vor Ort und hat sich das Testspiel angeschaut und Coaches und Spielerinnen nach ihrer Meinung gefragt.
Headcoach Maiah Bartlett vom SC Frankfurt war begeistert, dieses Testspiel in Frankfurt durchzuführen. „It was such an honor to be asked by Barbara Zelenay and Ryan Wallace to test the proposed Olympic Rules with my women’s team in Frankfurt this past weekend. I am grateful for their push to get this off and running here in Germany.“
Die große Herausforderung bestand zunächst darin, die Regeln zu erklären und zu verstehen und diese gleichermaßen von Spieler- als auch Schiedsrichterseite zu implementieren. Coach Maiah war nach der Lektüre der neuen Regeln zunächst skeptisch: „I thought that the committee had changed the sport into something entirely different. I felt like the tactics I had taught my players on offense and defense would need to shift in some ways in order to accomodate this new system of rules and regulations. I did my best to approach it in an unbiased manner but could not help but feel like I was testing an entirely different sport, not the field lacrosse that I grew up playing and competing at from an early age.“ Die gleiche Skepsis herrschte auch bei einigen Spielerinnen. Andererseits bestand die große Hoffnung, dass neue Regeln wie die 45-Sekunden Shot clock das Tempo und somit die Spannung des Spiels noch weiter steigern würden.
Nachdem Coach Bartlett die Regeln mit ihrem Team und den freiwilligen Refs für diesen Nachmittag (ein großes Danke an dieser Stelle!) besprochen hatte, blieben zahlreiche Fragen offen: Wie beispielsweise lässt sich ein Shooting Space noch erkennen oder pfeifen, wenn es keine Marking area mehr gibt? Erübrigt sich ohne die 11m und die 15m die 3-Sekunden-Regel für den Verteidiger? Aber ist diese nicht essentiell, um das Spiel sicher zu halten, wenn die Damen weiterhin keine Helme und keinen Körperschutz tragen? Dürfen die Verteidiger nun, wie beim Herren-Lacrosse, durch den Crease? Auch die neuen Regeln zum Chase waren zunächst verwirrend. Die Beschreibung der olympischen Regeln sieht vor, dass ein Schuss, der weder den Pfosten noch den Stick von Goalie oder Verteidiger berührt, nicht mehr durch einen Chase zur Aus-Linie für das Team zurückgewonnen werden kann, sondern automatisch ein Ballbesitz für die andere Mannschaft bedeutet. Dies verändert das Angriffsspiel und die Schussauswahl fundamental, kann doch jeder Schuss sofort einen Ballverlust bedeuten, wenn dieser nicht hundertprozentig präzise ist.
Trotz aller Fragezeichen machten sich Frankfurter Mädels fröhlich ans Werk und gaben Vollgas in allen vier 8-minütigen Quartern. Coach Maiah und auch viele Spielerinnen bemerkten, dass dieses Spiel tatsächlich vollkommen anders war und sich insbesondere die Intensität und das Tempo durch die neuen Regeln enorm steigerten. Insbesondere für einige Zuschauer machte das höhere Tempo das Spiel interessant. Zuschauer bemängeln häufig – inbesondere bei geringem Kenntnisstand der Damen-Regeln -, dass das Stoppen beim Abpfiff oder auch die Foul-Regeln im Fächer Damen-Lacrosse stark verlangsamen oder unnötig kompliziert machen. Insider und Kenner des Feldsports, die mehr taktische Kenntnisse des Damen-Lacrosse haben, sehen jedoch in den neuen Regeln auch einige Nachteile: „I noticed it was almost purely fast break based with little to no settled offense. This was in part due to the number of players on the field and the 45 second shot clock“, so Maiah Bartlett. „While I enjoyed being the first coach to test these rules for the women, I come to the same final conclusion. This is not field lacrosse and nor should it be called field lacrosse and entered as such into the Olympics. It is a hybrid between box and field, and while some of my opinions changed, one thing remains the same: if field lacrosse it to be an Olympic event it must be more representative of the sport those who play or coach grew to know and love.“
Ähnlich sahen dies zahlreiche Spielerinnen vom Frankfurter Team. Clara Pustoslemsek dazu: „Ich mochte es gar nicht. Es nimmt dem Damen Lacrosse alle taktische Finesse im Angriffsspiel und das Spiel besteht nur noch aus Fastbreaks.“
Während also Fitness und Stick Skills sogar noch wichtiger werden, um das Tempo durchzuhalten und die schnellen Fastbreaks auszuführen, geht dieser olympischen Variante des Damensports auch einiges an Eleganz und insbesondere an taktischem Teamplay verloren. Das sehr kurze Feld, die geringe Zahl an Spielern und der Zeitdruck durch die Shotclock verleiten dazu, nur noch Fastbreaks auszuführen. Jeder Pass wird zu einer „Gefahrenquelle“, falls dieser möglicherweise nicht gefangen wird und der kurze Sprint an der Verteidigerin vorbei und vor das Tor ist häufig die sichere Option. Das kurze Feld ist von einem kompetenten Goalkeeper und mit einem kleinen Sprint der Feldspielerin in Sekundenschnelle überquert. Dazu kommt, dass ein Fastbreak mit nur einer Spielerin pro Team hinter der Mittellinie für die Verteidigung kaum zu stoppen ist. Jegliche Art von Foul von Seiten der Verteidigung – sei es ein Check oder ein Shooting Space – wird zudem direkt mit einer Zeitstrafe geahndet und stellt einen unverhältnismäßig großen Nachteil für das Team dar. Ein Verteidiger hat also kaum eine Chance, einen Fastbreak zu stoppen, nicht einmal durch das „taktische Foul“, z.B. in letzter Sekunde den Shooting Space zu provozieren. Der Nachteil durch eine Zeitstrafe von 20 oder 40 Sekunden wäre einfach zu groß.
Insgesamt sind die Frankfurterinnen geteilter Meinung zu den neuen Regeln. Das höhere Tempo und und auch eine Shotclock, wie sie im US College Lacrosse bereits angewandt wird, halten viele durchaus für eine Bereicherung. Auch ist es längst überfällig, den Verteidigerinnen den Weg durch den Crease zu erlauben oder z.B. das free movement einzuführen, das leider bisher weder im Feldlacrosse noch in den olympischen Regeln enthalten ist. Viele sehen jedoch den Nachteil, dass die neuen Regeln für weniger taktische Finesse und weniger Teamplay sorgen. Damit wird dem wunderbaren Sport Lacrosse einiges genommen, für das die Spielerinnen und Coaches brennen und das den Spaßfaktor des Sports ausmacht.
Auch wenn die Teilnahme an den olympischen Spielen ein Ziel der weltweiten Lacrosse-Gemeinde sein sollte, schien der Konsens nach diesem Testspiel: Lacrosse bei Olympia ja, aber nicht um jeden Preis. Das Regelwerk hat noch einiges an Verbesserungspotenzial. Dennoch hatten die Frankfurterinnen wahnsinnig viel Spaß beim Spiel und haben sich gefreut, zu dieser Gelegenheit Jugend- und Damenspielerinnen zusammen aufs Feld zu bringen