Ein Gastbeitrag von Matthias Lehna (Pressewart des DlaxV) im Nachgang an ein Austauschgespräch vom 2. Juli 2020.
Lacrosse in Deutschland hat unverändert einen schweren Stand. Neben strukturellen Herausforderungen und alten Schwierigkeiten gibt es auch Lichtblicke. Das Projekt von vier Frankfurter Jungs steht stellvertretend dafür.
Nach einer durchzechten Nacht in Frankfurt vor zwei Jahren stand fest – es fehlt etwas in Deutschland-Lacrosse. Eine Plattform, die alle Begeisterten vom Lacrossesport Entertainment, Neuigkeiten und gute Geschichten anbietet, muss her. „Wir sollten ein Online-Magazin starten,“ war Gustav Webers Gedanke. „Lass mal einfach machen.“ Er ist zusammen mit Marius Greb Gründer von DLAXN, einer Homepage zu allem rund um Lacrosse in Deutschland. Das Team ist seit der Gründung in jener Nacht vor zwei Jahren gewachsen und besteht aus fünf begeisterten Lacrosser/innen des SC 1880 Frankfurt. Dieses Projekt kennzeichnet ein sich im letzten Jahrzehnt wiederholendes Schauspiel: Gute Ideen werden von engagierten Lacrosserinnen und Lacrossern in die Tat umgesetzt und müssen letztlich ihre Nachhaltigkeit unter Beweis stellen. In der unter Randsportarten noch mal als exotisch geltende Lacrossesport ist sämtliche Arbeit für den Sport lediglich vom Enthusiasmus Einzelner getragen. Bei den rund 3.500 aktiven Lacrosserinnen und Lacrosser in Deutschland ist der Sprung zu einer professionelleren Verbandsstruktur noch groß. Es fehlt an Geldern und Mitteln.
Jackie Klaus kann dies bestätigen. Die Amerikanerin war Damen Nationalspielerin und Deutscher Meister mit dem Rekordmeister HLC-München. Vor sechs Jahren war sie eine der Herausgeberin des European Lacrosse Magazins: „Am Ende hat sich der Aufwand für das Magazin nicht mehr gerechnet. Die Community ist sehr klein, der Aufwand zur Erstellung standen nicht mehr im Verhältnis zur Reichweite.“ Das European Lacrosse Magazin war ein klassisches Vorhaben von Spielern für Spieler. Die einmal im Quartal erscheinende Print-Ausgabe wurde zuletzt zur Deutschen Meisterschaft 2013 in Köln gedruckt. Danach war Schluss. Etliche Ausgaben lagern vermutlich immer noch in Kellern ehemaliger Münchener Lacrosser.
Make „Grow the Game“ great again
Simon Krause, der Präsident des deutschen Lacrosseverbandes, DLaxV, ist sich des Stillstands bewusst. Der promovierte Chemiker ist selber seit über zehn Jahren Teil der deutschen Lacrosse Community und wusste schon vorher, was Commitment für diesen Sport in Deutschland bedeutet: Die Aufopferung eines Großteils seiner Freizeit. Dazu noch der finanzielle Verluste im Wert eines Kleinwagens – über die Jahre zusammen gerechnet. Wobei er selbst diese Betrachtung nicht teilen würde: „Ich habe meine Frau über diesen Sport kennengelernt und teure Auslandsturniere waren gleichzeitig mein Jahresurlaub.“ Dennoch sieht er ein, dass dieser Lebensstil nicht zum Wachstum der deutschen Lacrosse Community im Sinne des internationalen Lacrossemottos „Grow the Game“ passt. Schließlich will der Weltverband, World Lacrosse, mit Blick auf die Ende des Jahrzehnt anstehenden Olympischen Spiele in Los Angeles eine Wiederaufnahme des Sports im olympischen Komitee erreichen. Erneut nach 1904 und 1908. Danach wurden sie aus dem Programm gestrichen. Dem kanadischen Nationalsport mit Wurzeln bis hin zu den Ureinwohner der amerikanischen Ostküste fehlte die internationale Verbreitung. Dies hat sich mittlerweile gewandelt. Mittlerweile gibt es 66 anerkannte nationale Verbände im World Lacrosse. In den letzten knapp zwanzig Jahren gab es ein 240 prozentigen Wachstum. Ein Wachstum, das in Deutschland vor etwa zehn Jahren an seine Grenzen gestoßen ist.
Die Einstiegshürden für Anfänger sind bei diesem Sport unverändert hoch. Neben der starken Konkurrenz einer etablierten Vereinskultur für Kinder- und Jugendliche in Deutschland ist es nicht gelungen, die Gründer- und nachfolgenden Spielergeneration in die Verbandsarbeit zu integrieren. Administrative Arbeit und Strukturarbeit wird zum großen Teil von aktiven Spielerinnen und Spielern durchgeführt. Der Verband feiert bald sein 25-jähriges Jubiläum und trotzdem liegt der Altersschnitt im Verbandsvorstand bei Anfang 30. Im Grunde besteht der Verband in der Masse aus jungen Akademikerinnen und Akademikern, die mitten, oder am Beginn ihres Berufslebens stehen. Sie alle eint ihre Leidenschaft für eine exotische anglo-amerikanisch geprägte Wurfsportart.
Schiedsrichterausbildung international vorbildlich
Doch trotz aller struktureller Defizite gibt es Lichtblicke. Die deutschen Nationalmannschaftprogramme haben in den letzten Jahren für Aufsehen bei den internationalen Turnieren gesorgt. Allen voran die U19 Herren mit der Vizeeuropameisterschaft in Prag vom letzten Sommer. Es gibt erste Spieler wie Per Olters oder Wynton Bastian oder Penelope Pennoyer, die den Sprung an die großen College Lacrosseprogramme in den Staaten geschafft haben. Die Boards- und Committees des Weltverband sind auf allen Ebenen mit einer deutschen Vertretung besetzt und international schaut man neidisch auf das bewährte Refereeausbildungssystem. So lange diese Community immer noch Menschen wie Gustav Weber mit seinem kaum zu bremsendem Enthusiasmus hervorbringt, steht es nicht schlecht um Lacrosse in Deutschland. Gustav ist erst Mitte zwanzig – nach aktuellem Stand nur wenige Jahre von einem möglichen Verbandsengagement entfernt.